Dieser Beitrag soll einen ersten Ausblick zum neuen 177 Seiten starken Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP zur neuen Bau- und Wohnungspolitik geben; haben die großen Themen unserer Zeit doch auch erheblichen Einfluss auf die privat- und öffentlich-baurechtliche Projekt- sowie Rechtsberatung. 

Zuvorderst sei zu erwähnen, dass es nunmehr ein eigenständiges und neu zugeschnittenes Bundesbauministerium geben soll. Einen kurzen, aber teilweise bereits sehr konkreten Ausblick zu den Themen, mit denen sich dieses neu geschaffene Ministerium befassen soll, findet man auf den Seiten 88 ff. des Koalitionsvertrages unter dem Gliederungspunkt: Bauen und Wohnen.  

Trotzdem viele Bereiche lediglich mit dem politischen Willen beschrieben werden, ist es doch sehr erfreulich, dass Themen wie u. a. die Smart-City, BIM, übergreifend Big Data sowie die Graue Energie in dem Koalitionsvertrag Erwähnung finden. Daneben finden sich unter zahlreichen weiteren Gliederungspunkten, Abschnitten und Unterabschnitten Ausführungen zum Infrastruktur- und Wohnungsausbau, die insgesamt unter dem Leitgedanken der Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie durch Technologieoffenheit stehen und Einfluss auf das geltende Bau- und Immobilienwirtschaftsrecht haben.  

Im Kapitel: Klima, Energie und Transformation bestimmt die künftige Regierung, dass die nationale, europäische und internationale Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Pfad ausgerichtet und die Potenziale auf allen staatlichen Ebenen aktiviert werden sollen, vgl. S. 55 ff. des Koalitionsvertrages. Dies nach der bahnbrechenden Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter den Az.: 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/29, 1 BvR 288/20. Flankiert wird die ökologische Ausrichtung von dem Kapitel “Moderner Staat und Demokratie”, bei dem insbesondere die Verwaltungsdigitalisierung, die effektivere Kooperation auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene, die Transparenz und der für den Ausbau besonders bedeutsame Bürokratieabbau im Planungs- und Genehmigungsverfahren im Vordergrund stehen, vgl. S. 8 ff. des Koalitionsvertrages. 

Das künftige Bauen und Wohnen soll “bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestaltet werden”, so beschreibt es die Koalition selbst. Es soll ein „Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik“ stattfinden. Zu nennen sind u. a. der Ausbau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Die finanzielle Unterstützung für den sozialen und altersunabhängigen Wohnungsbau, oder die Eigenheimförderung durch steuerliche Förderung und Investitionszulagen. Zudem sollen ein Bau-, Wohnkosten und Klimacheck sowie eines kommunalen Potenzialflächenregister eingeführt werden. 

Was aber nun steckt im Detail hinter den von der künftigen Regierung gewählten Überschriften? 

I.  Digitalisierung und Vereinfachung  

Das Bauen soll insgesamt günstiger und standardisiert werden. Eine Kostensenkung im Wohnungsbau soll u. a. durch die verstärkte Digitalisierung – Big Data und Open-Data-Sharing – und Entbürokratisierung angegangen werden. Im Fokus stehen das serielle und modulare Bauen und die Standardisierung. Im Einzelnen sind hier folgende Punkte genannt: 

Im Unterabschnitt „Klimaschutz im Gebäudesektor“ steht, dass im Rahmen des Forschungsprogramms „Zukunft Bau“ serielles und modulares Bauen und Sanieren z. B. nach dem niederländischen Energiesprong-Prinzip weiterentwickelt sowie bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Hürden identifiziert und beseitigt werden sollen. Das modulare und serielle Bauen und Sanieren soll weiter durch Typengenehmigungen beschleunigt werden und eine Umsetzung von Open-BIM und einheitlichen Schnittstellen/Standards soll erfolgen und insgesamt soll die Bauforschung gestärkt werden. Die Prozesse der Normung und Standardisierung sollen angepasst werden;

Zudem soll eine Novellierung des Baugesetzbuch (BauGB) mit dem Ziel, der Vereinfachung und Effizienzsteigerung der Instrumente für den Klimaschutz und die -anpassung, Gemeinwohlorientierung sowie die Stärkung Innenentwicklung sowie zusätzliche Bauflächen zu mobilisieren und weitere Beschleunigungen der Planungs- und Genehmigungsverfahren vorzunehmen, erfolgen;

Die Regelungen im Baulandmobilisierungsgesetz werden entfristen und die rechtlichen Grundlagen für eine vollständige Digitalisierung der Bauleitplanverfahren sollen geschaffen werden;

Es soll ferner eine gesetzgeberische Prüfung vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts 09.11.2021, Az.: 4 C 1/20 zum gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung (Milieuschutzsatzung) geben. Exkurs: Das Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung resp. -verordnung liegt, darf von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden, dass  Käufer:innen in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen.

II.  Klimaschutz im Gebäudebereich

Besonders erfreulich und umfangreich ist der politische Wille für die Umsetzung des Klimaschutzes im Gebäudebereich formuliert; trotzdem es an vielen Stellen lediglich bei einer offenen Beschreibung des Ziels ohne genauen Umsetzungsvorschlag verbleibt. Anknüpfungspunkte zur Umsetzung liegen hier in den finanziellen Fördermaßnahmen, der Anpassung des Gebäudeenergiegesetzes und der verstärkten Kreislaufwirtschaft. Ein verstärkter Blick wird auf die Sanierung im Bestandsbau gelegt. Es werden u. a. folgende konkrete Maßnahmen genannt: 

Die Änderungen im Gebäudeenergiegesetz (GEG) zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro m² Wohnfläche. Zum 01.01.2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden; zum 01.01.2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im GEG die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH 70 entsprechen; im GEG werden die Neubau-Standards zum 01.01.2025 an den KfW-EH 40 angeglichen;

Die Einführung des Gebäuderessourcenpasses, um im Gebäudesektor zu einer Kreislaufwirtschaft zu kommen. Daneben sollen der Einsatz grauer Energie und die Lebenszykluskosten verstärkt betrachtet werden;

Die Anhebung der linearen Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von zwei auf drei Prozent. Exkurs: Von der Neubau-Afa (Absetzung für Abnutzung) profitiert, wer ein neues Gebäude errichtet und anschließend vermietet. Für Neubauten gilt generell eine lineare Abschreibung mit einem Abschreibungssatz von zwei Prozent jährlich. Demnach können der Bauherr/die Baudame 50 Jahre lang jeweils zwei Prozent der Herstellungskosten steuerlich geltend machen. Der Grundstückspreis darf nicht dazu gezählt werden;

Die Prüfung eines Gebäudeenergiekatasters;

Zum 01.06.2022 soll ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen eingeführt werden, dass die Umlage des CO2-Preises nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz regelt. Sollte dies zeitlich nicht gelingen, werden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 01.06.2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieterin bzw. Mieter geteilt;

Das Wohngeld soll gestärkt werden, eine Klimakomponente eingeführt und kurzfristig ein einmalig erhöhter Heizkostenzuschuss gezahlt werden.

III.  Schutz der Mieter:innen 

Nicht erst seit heute ist das Thema Mieter:innen-Schutz und Wohnungsknappheit auf der Agenda. Nachdem die Einführung des Mietendeckels auf Landesebene in Berlin mit Beschluss vom 25.03.2021, Az.: 2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20 des Bundesverfassungsgerichts gescheitert war, wurde gespannt geschaut, wie der Schutz auf Bundesebene ausgestaltet werden soll. Die wesentlichen Kernpunkte des Koalitionsvertrages hierzu lauten:

Die geltenden Mieterschutzregelungen werden evaluiert, verlängert und reformiert. In angespannten Märkten wird die Kappungsgrenze auf elf Prozent in drei Jahren abgesenkt. Die Mietpreisbremse wird bis zum Jahre 2029 verlängert;

Der qualifizierte Mietspiegel wird gestärkt, verbreitert und rechtssicher ausgestaltet. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten sieben Jahre herangezogen werden;

Es soll Transparenz bei den Nebenkostenabrechnungen geschaffen werden;

Für Gemeinden über 100.000 Einwohnerinnen bzw. Einwohnern werden qualifizierte Mietspiegel verpflichtend. Der Angaben Mietspiegel soll anhand von Steuererklärung erstellen werden; Pilotprojekt. 

IV.  Wohneigentum

Zusammenfassend soll der Eigentumserwerb unterstützt und erleichtert werden. Sowohl durch finanzielle Unterstützung auf Erwerber:innen-, als auch auf staatlicher Seite. Zur Gegenfinanzierung sollen besonders steuerrechtliche Schlupflöcher geschlossen werden und ein Versteuerungsnachweis für den Immobilienkauf eingeführt werden. Im Grundbuch wird eine ladungsfähige Anschrift bei Änderungen verpflichtend. 

Die Hürden beim Eigentumserwerb sollen durch eigenkapitalersetzende Darlehen gesenkt und Schwellenhaushalte langfristig z. B. mit Tilgungszuschüssen und Zinsverbilligungen beim Eigentumserwerb unterstützt werden. Das KfW-Programm zum Kauf von Genossenschaftsanteilen soll gestärkt werden. 

Den Ländern soll eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer z. B. durch einen Freibetrag ermöglicht werden, um den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zu erleichtern.  

Zudem soll ein echter Sachkundenachweis für Makler-, Miet- und WEG-Verwalter:innen eingeführt werden.  

V.  Städtebau 

Bundesweit gesunde und lebenswerte Städte, Gemeinden und ländliche Regionen sind das Ziel. Eine Orientierung soll die „Neue Leipzig-Charta“ bieten. Die Neue Leipzig-Charta ist die Weiterentwicklung der Leipzig-Charta, die 2007 unter der damaligen deutschen Ratspräsidentschaft verabschiedet wurde. Es handelt sich um ein strategisches Rahmenwerk zur gemeinwohlorientierten, integrierten und nachhaltigen Stadtentwicklung. Sie liefert die Grundlage für eine zukunftsgerichtete Transformation der Städte.

Besonders hervorgehoben werden v. a. Fördermaßnahmen, die entbürokratisiert und flexibilisiert werden sollen, so dass insbesondere die Hürden für Kommunen zum Erhalt von Fördermitteln gesenkt werden, wobei nicht konkret beschrieben wird, wie die Ausgestaltung konkret aussieht. Etwas unpräzise und unverbindlich wird formuliert, dass Kommunen bei der Prävention und Bewältigung von Starkregenereignissen und der Anpassung an den Klimawandel unterstützt und der Wiederaufbau nach der Hochwasserkatastrophe gemeinsam vorangetrieben werden sollen. Das Thema der künftigen Häufung von Extremwetterereignissen – Naturkatastrophen – ist damit im Blick, aber noch nicht konkret.  Damit einhergehend ist indes besonders das Aufgreifen der Smart-City erfreulich. Hierzu soll ein Smart-City-Stufenplan entwickelt werden, der BIM-Bereich gestärkt und ein Smart-City-Kompetenzzentrum eingerichtet werden. Auch das Programm “Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren” mit der Städtebauförderung wird kompatibel gemacht, wobei nicht beschrieben wird, was das bedeuten soll. 

Zudem soll die TA-Lärm modernisiert und an die geänderten Lebensverhältnisse in den Innenstädten angepasst werden, was wohl längst überfällig ist, um Zielkonflikte zwischen Lärmschutz und heranrückender Wohnbebauung aufzulösen. Auch soll parallel zur TA-Lärm eine Änderung der BaunNVO erfolgen, um Clubs und Livemusikspielstätten ihren kulturellen Bezug anzuerkennen. Damit werden sie nicht als Vergnügungsstätten eingeordnet werden müssen, sondern als kulturelle Nutzung anerkannt und ebenfalls lärmtechnisch privilegiert. Zudem wird es eine Reformierung der Honorarordnung für Architekten (HOAI) und eine Anpassung der Leistungsbilder geben, wie diese aussieht, ist noch unklar.  

Das Nachhaltigkeitsziel der Bundesrepublik soll beim Flächenverbrauch mit konkreten Maßnahmen hinterlegt werden, wobei diese noch nicht abschließend genannt werden.

Die Regelung des § 13b BauGB zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren, wird nicht verlängert. Bis zum Ablauf des 31.12.2022 gilt § 13a entsprechend für Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sinne des § 13a Abs. 1 S. 2 BauGB von weniger als 10.000 m², durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Es soll die Einführung eines Innenentwicklungsmaßnahmengebietes geprüft werden. 

Es bleibt nun abzuwarten, wie konkret die Absichten und Maßnahmen umgesetzt werden. Es lässt sich indes jetzt bereits sagen, dass der Koalitionsvertrag einen sehr guten Eindruck davon vermittelt, wie das künftige Bauplanungs und -ordnungsrecht sowie das Immobilienwirtschaftsrecht im weiteren Sinne aussehen und von welchen Leitgedanken sie sich leiten lassen soll.