Zur Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771, „WKRL“) hat der deutsche Gesetzgeber im Juni 2021 das „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ sowie dasGesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/770, „dID-RL“ beschlossen.

Damit treten Novellierungen des Kaufrechts und somit Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zum 01.01.2022 in Kraft, die von wesentlicher Bedeutung für Verbraucher:innen und Unternehmen sind. Dieser Beitrag soll einen kurzen Abriss zu den wesentlichen Neuerungen liefern. Die neuen Vorschriften stärken die Rechte von Verbaucher:innen und bringen zahlreiche neue Verpflichtungen für Unternehmer:innen mit sich und nehmen Einfluss auf die gesamte Lieferkette. 

Zuvorderst erhält das BGB künftig neue Regelungen zu Waren mit digitalen Elementen sowie digitalen Produkten. Bei digitalen Produkten handelt es sich nach § 327 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. um digitale Inhalte und Dienstleistungen. Demgegenüber unterliegen die Kaufverträge über Waren mit digitalen Elementen weiterhin dem Kaufrecht, wobei nunmehr in den §§ 475b ff. BGB n. F. entsprechende Sonderregelungen vorgesehen sind.

Weitere wesentliche Elemente sind die neue Bestimmung des Sachmangelbegriffs in § 434 BGB n. F., die Aktualisierungspflicht in § 475b Abs. 3 BGB n. F., die Verlängerung der Beweislastumkehr in § 477 BGB n. F., sowie Sonderbestimmungen zu Garantien, die Neugestaltung des Ausschlusses von Mängeln bei Kenntnis des Käufers und die faktische Streichung des Frist zu Nacherfüllung bei Verbrauchsgüterkäufen.

Vorausgeschickt ist zwingend zu verinnerlichen, dass die Abgrenzung zwischen den Mangelbegriffen und die Neustrukturierung des Gewährleistungsrechtes zu beachten sind:

– „Analoge“ Kaufsache, §§ 434 ff. BGB n. F.

– Kaufsache mit digitalem Element, §§ 434 ff., 475b ff., 327 ff. BGB n. F.

– Digitale Produkte, §§ 327d ff. BGB n. F.

Die Kontrollfrage lautet daher: Wo befindet sich der Mangel? Befindet er sich an dem körperlichen Gegenstand selbst, tritt die kaufrechtliche Gewährleistung nebst Verbrauchsgüterkaufrecht ein. Befindet sich der Mangel an den enthaltenen oder verbundenen digitalen Produkten, finden die nachfolgenden Vorschriften entsprechend Anwendung, wobei zwischen den digitalen Produkten und den Sonderbestimmungen zu Sachen mit digitalen Elementen zu unterscheiden ist.

A.  §§ 327 bis 327u BGB – Neuer Vertragstypus

Die §§ 327 ff. BGB enthalten zukünftig ein eigenes (Verbrauchsgüter-)Kaufrecht für digitale Produkte – einschließlich eines eigenen Gewährleistungsrechts. Die Abgrenzung zum allgemeinen Kaufrecht richtet sich nach den neu gestalteten Verbrauchsgüterkaufregelungen, gem. § 475b BGB.

I. Inhaltlicher Anwendungsbereich

Inhaltlich gelten die Vorschriften für Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen durch Unternehmer:innen gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben, sowie für den im Kontext von Verbraucherverträgen erfolgenden Rückgriff der Unternehmer:innen gegenüber den Vertriebspartner:innen. Erfasst ist die Bezahlung in Geld, als auch die Bereitstellung von personenbezogenen Daten etc. Es betrifft die Modalitäten der Bereitstellung, Mängelgewährleistung und nachträgliche Änderungen bei digitalen Produkten.

II.  Zeitlicher Anwendungsbereich

In zeitlicher Hinsicht gelten die Vorschriften für Verbraucherverträge, welche ab dem 01.01.2022 geschlossen wurden oder bei denen die Bereitstellung der digitalen Produkte erst ab dem 01.01.2022 erfolgt.

III.  Sachlicher Anwendungsbereich – Digitale Inhalte gem. § 327 Abs. 2 BGB

1.
Digitale Inhalte sind legal definiert Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden.

2.
Digitale Dienstleistungen sind definiert als Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von digitalen Daten oder den Zugang zu ihnen ermöglichen, oder auch gemeinsam mit anderen die gemeinsame Nutzung digitalen Daten oder sonstige Interaktionen mit Daten, z. B. SaaS über die Bereitstellung von Cloud-Speicherplatz, Streaming-Dienste oder soziale Netzwerke.

3.
Bei der Bereitstellung digitaler Produkte und anderen Leistungen sind die Vorschriften nur soweit anwendbar, wie digitale Produkte betroffen sind. Das betrifft generell Verbraucherverträge über Sachen, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, § 327 a Abs. 2 BGB. Der Wortlaut und die Systematik im allgemeinen Teil lassen eine Anwendung für Smart-Home-Ausstattung, welche mit einer verkauften Immobilie verbunden ist, annehmen.

B.  Der neue Sachmangelbegriff

Künftig ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sowohl objektive und subjektive Anforderungen sowie der Montageanforderung entspricht. Die Sache kann danach i. S. d. § 434 BGB mangelhaft sein, selbst wenn sie der Beschaffenheitsvereinbarung entspricht. Gerade die Produktbeschreibung ist daher besonders zu beachten und sollte den Anforderungen entsprechen. Ergänzt wird § 434 BGB von § 475b BGB, siehe nachfolgenden Gliederungspunkt C im Einzelnen.

C.  §§ 475b ff. BGB

Die weitreichendsten Änderungen ergeben sich durch die Einführung der §§ 475b ff. BGB.

§ 475b Abs. 1 BGB schafft mit der „Sache mit digitalem Element“ eine neue Sachkategorie. Die Neuregelung findet lediglich auf Verbraucherverträge Anwendung. Hinzukommen verbraucherrechtliche Sonderbestimmungen hinsichtlich Mangelfreiheit, Rücktritt, Schadensersatz und Verjährung.

Anzuwenden sind die Vorschriften auf Sachen, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder Dienstleistungen enthalten, dass sie ihre Funktionen ohne die digitale Komponente nicht erfüllen können, wie z. B. sämtliche smarte Endgeräte. § 434 BGB wird ergänzt um § 475b BGB.

Die Sache ist gemäß § 475b frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den objektiven und subjektiven Anforderungen entspricht und zusätzlich während eines später definierten Zeitraumes die Aktualisierungspflicht gewahrt wird. Es kommt also für das Vorliegen eines Sachmangels nicht ausschließlich auf den Zeitpunkt des Gefahrüberganges an.

Gem. § 475b Abs. 3 BGB wurde eine Aktualisierungspflicht eingeführt. Unternehmer:innen müssen in Verträgen über digitale Produkte und für Sachen, die eine dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente enthalten Verbraucher:innen Aktualisierungen („Updates“) der digitalen Elemente für mindestens 2 Jahre bereitzustellen. Fehlende Aktualisierungen können einen Sachmangel darstellen.

I.  Nacherfüllung – Entbehrlichkeit der Nachtfristsetzung, § 475d BGB

Nach dem neuen § 475d BGB müssen Verbraucher:innen Unternehmer:innen lediglich über den Mangel in Kenntnis gesetzt haben. Ein ausdrückliches Verlangen nach einer Nacherfüllung ist nicht mehr erforderlich. Sobald eine nach den Umständen des Einzelfalles andauernde faktische Frist abgelaufen ist, können Verbraucher:innen ihre Rechte in Form des Rücktritts, der Minderung oder dem Schadensersatz verlangen.

II.  Änderungen der Beweislastumkehr bei Mangelhaftigkeit, § 477 BGB n. F.

Der Zeitraum für die gesetzliche Vermutung der Mangelhaftigkeit einer Sache bei Gefahrübergang wird von sechs Monaten auf ein Jahr erhöht. Dies ist eine deutliche Verbesserung für Verbraucher:innen, die ihre Mängelrechte geltend machen wollen.

III.  Garantie, § 479 Abs. 3 BGB n. F.

Die Bestimmungen für Garantien wurden ergänzt. Nach § 479 Abs. 3 BGB muss eine Garantie künftig Garantieerklärungen müssen Verbraucher:innen zukünftig ohne entsprechendes Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Es muss zudem deutlich werden, dass daneben bestehende gesetzliche Gewährleistungsrechte unberührt bleiben und deren Inanspruchnahme unentgeltlich ist.mindestens den Umfang des gesetzlichen Anspruchs auf Nacherfüllung haben.

IV. Regressansprüche der Unternehmer:innen

Unternehmer:innen können bei den Herstellern resp. Lieferanten weiterhin Regress nehmen, welcher indes auf die Ersatzpflicht des Verkäufers wegen Verletzung der Aktualisierungspflicht nach § 475b Abs. 4 BGB erweitert wurde.

Zudem wurde die absolute Verjährung der Regressansprüche von 5 Jahren abgeschafft, durch die Streichung des § 445b Abs. 2. S. 2 BGB a. F.

V. Ausschluss § 442 BGB

Unternehmer:innen können sich gegenüber Verbraucher:innen künftig nicht mehr auf einen Haftungsausschluss nach § 442 BGB wegen Kenntnis des Mangels berufen. Stattdessen sind strenge Informations- und Formvorschriften zu wahren, vgl. § 475 BGB n. F.

D. To-do-Liste für Unternehmen

Die neuen Regelungen haben enormen Einfluss auf bestehende AGB und Vertragsmuster, so dass diese zwingend anzupassen sind.

So muss u. a. der neue Sachmangelbegriff eingefügt werden. Im Rahmen der digitalen Produkte resp. Sachen mit digitalen Elementen sind u. a. die die Aktualisierungspflicht sowie den Umfang der Informations- und Lieferpflichten in den Verträgen der Lieferkette zu beachten.

Ganz besonders i. R. d. AGB zu beachten sind die Änderungen der §§ 308 Nr. 9 (Abtretungsverbot) und § 309 Nr. 9 BGB (Laufzeitklauseln).

Nachteilige Abweichungen von den Richtlinien gegenüber Verbrauchern sind unzulässig, vgl. 327s BGB und § 476 BGB.

Es besteht zudem die Gefahr von Abmahnungen und Klagen von Verbraucherschutzverbänden nach dem UKlaG, vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 UKlaG.